Das Du für ein Wir
Marketingprofis setzen immer mehr auf das Du bei der Ansprache der Konsumentinnen und Konsumenten, vor allem in den sozialen Medien. Denn hier geht es darum, eine Beziehung zur Kundin oder zum Kunden aufzubauen, seine Nähe zu suchen. Das Du steht für Verbundenheit, Vertrautheit, motiviert zu einer offeneren Kommunikation und soll das Wir-Gefühl stärken. Stichwort Marketing 3.0. Die Kundinnen und Kunden von oben, also vertikal, von den Vorzügen des neuen Produkts zu überzeugen, war gestern. Heute erreichen die Unternehmen ihre Zielgruppen über den Austausch auf Augenhöhe. Dabei vermischt sich Privates und Geschäftliches zunehmend: Kundinnen und Kunden posten in Social Media Fotos von ihrer neuen Errungenschaft oder geben Tipps, wie das neue Produkt am besten anzuwenden ist. Die Unternehmen ihrerseits übernehmen den vertraulichen Kommunikationsstil – so als gehöre man zu einer großen Familie.
Das Sie für eine höfliche Kommunikation
Jedoch eignet sich das Duzen nicht für jedes Medium und in allen Bereichen. Vor allem in traditionsreichen Branchen wie Jura, Bank, Finanzen und Medizin wahrt das Siezen einen respektvollen Umgang miteinander. Und es sorgt für die nötige Distanz, wenn ich mich beispielsweise vor meiner Ärztin oder meinem Bankberater auf die ein oder andere Art entblößen muss. Denn mit dem Anredepronomen Sie geht auch häufig ein sachlicherer und diskreterer Sprachstil einher.
Auch in Schweden wird sich seit Ende der 1960er-Jahre überall geduzt. Die Studentenrevolte und die Hippiebewegung sorgten für ein Aufbegehren gegen hierarchische Strukturen. Vielleicht ist das schwedische Du auch ein wichtiger Grund, warum sich der Gleichheitsgedanke bei unseren skandinavischen Nachbarn besonders manifestiert hat. Auf jeden Fall ist es der Grund, warum wir in einem großen schwedischen Möbelhaus charmant geduzt werden. Zumindest was die Massenkommunikation von IKEA betrifft, also unter anderem in der Werbung und auf der Website. Im direkten Kundenkontakt, zum Beispiel bei einem persönlichen Verkaufsgespräch, bleibt man hingegen beim formelleren Sie – weil es in Deutschland in solchen Situationen noch geläufiger ist.
Das Medium ist entscheidend
Es ist demnach nicht unüblich, die Adressatin oder den Adressaten in verschiedenen Medien bzw. Situationen unterschiedlich anzusprechen. Denn die Personen, die einen Fachartikel zu einem speziellen Produkt lesen, sind andere als die, die dem Hersteller auf Instagram, Facebook und Co. folgen. Wiederum wird auf Business-Plattformen wie XING oder LinkedIn eher gesiezt.
Wann siezen, wann duzen?
Somit ist es wichtig, zu schauen, in welcher Branche man kommuniziert. Beispielsweise gehört in der B2B-Branche das Sie meist noch zum guten Ton. Im Kommunikationsbereich wird wie bereits erwähnt immer mehr geduzt. Doch pauschalisieren lässt sich das trotzdem nicht. Denn in einem Prospekt für Rollatoren wären die Kundinnen und Kunden sicherlich irritiert, wenn sie geduzt würden. Einfach weil es sich um eine ältere Zielgruppe handelt.
Die Frage ist also, wie setzt sich die Zielgruppe zusammen und wie möchte sie angesprochen werden? Erreicht man sie am besten über einen seriösen, respektvollen und sachlichen Kommunikationsstil? Und ist eine gewisse Distanz wichtig, um professionell miteinander zu agieren? Dann macht die Höflichkeitsform ihrem Namen alle Ehre.
Hingegen können Nähe, Partnerschaftlichkeit und ein modernes Lebensgefühl gut mit dem Du ausgedrückt werden. Was nicht heißen muss, dass per Sie zu sein per se antiquiert ist. Denn ein branchentypisches Sie kann durch einen jugendlichen, lockeren Sprachstil ebenso eine gewisse Vertrautheit erzeugen. Wichtig ist, dass er authentisch ist und zum Unternehmen oder zur Marke passt.
Bereits mit Eimer und Harke bewaffnet, antworte ich also meiner Nachbarin: „Ingrid, geht klar. Ich rupf das Kraut gern für Sie aus. Und dann mach ich uns daraus einen leckeren Smoothie.“
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