Auch wenn heute keine echten Blumen mehr überreicht werden, bleibt das Prinzip dasselbe: Wer seinem Chef nicht direkt sagen möchte, dass er seine Idee für an den Haaren herbeigezogen hält, beginnt vielleicht mit einem Lob über seine „innovativen Lösungsansätze“ und schlägt dann vorsichtig vor, dass eine zweite Meinung „sicherlich aber nicht schaden könnte“. Doch genau hier liegt die Kunst – oder das Risiko. Denn nicht jeder versteht subtile Hinweise, und manches vermeintlich höfliche Umschreiben kann entweder völlig verpuffen oder als verkappte Beleidigung ankommen. Wie also gelingt es, Kritik charmant zu verpacken, ohne dass sie missverstanden oder gar ignoriert wird?
Beispiel 1: Der Kollege, der immer zu spät kommt
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Kollegen, der immer zu spät zu Besprechungen kommt. Statt ihm vorwurfsvoll zu sagen: „Du bist immer zu spät, das nervt!“, versuchen Sie es mit einem humorvollen Hinweis: „Du bist ein echter Meister im Timing – immer so, dass du das Beste der Besprechung mitbekommst, aber nie die langweiligen Anfangsdetails.“
Warum es funktioniert:
Hier ist die Kritik klar, aber sie wird mit Humor und einem charmanten Unterton vermittelt. Sie machen ihn auf seine Verspätung aufmerksam, ohne ihn direkt zu beschuldigen. Die Botschaft ist deutlich, aber durch den Humor wird sie „verdaut“, ohne dass der Kollege das Gefühl bekommt, angegriffen zu werden. Er kann – hoffentlich – über sich selbst lachen und wird sich wahrscheinlich beim nächsten Mal mehr anstrengen, pünktlich zu sein.
Beispiel 2: Die Kollegin, die immer nach Meinungen fragt
Nehmen wir an, Sie haben eine Kollegin, die ständig nach Ihrer Meinung fragt. Statt ihr direkt zu sagen: „Du musst lernen, selbst Entscheidungen zu treffen!“, könnten Sie sagen: „Du bist wirklich eine Expertin darin, ein breites Spektrum an Perspektiven zu sammeln – du könntest glatt eine professionelle Beraterin für Meinungsforschung werden!“
Warum es funktioniert:
Dieser Kommentar zeigt, dass Sie ihre Gewohnheit wahrnehmen, ohne sie direkt zu kritisieren. Statt sie als unsicher oder zu abhängig von den Meinungen anderer darzustellen, wird ihr Verhalten als eine Art „Expertenfähigkeit“ umgedeutet. Sie erkennt, dass sie ständig nach anderen Meinungen fragt, ohne sich angegriffen zu fühlen, und wird vielleicht eher darüber nachdenken, mehr Selbstvertrauen in ihre eigenen Entscheidungen zu setzen.
Beispiel 3: Der Kollege, der viel zu viele E-Mails schickt
Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Kollegen, dessen E-Mails Ihren Posteingang überquellen lassen – oft mit Informationen, die Sie nicht wirklich benötigen. Statt ihm zu sagen: „Du sendest viel zu viele E-Mails!“, könnten Sie sagen: „Du hast wirklich ein Talent dafür, uns immer auf dem Laufenden zu halten. Ich könnte fast denken, du betreibst ein eigenes kleines Nachrichtenbüro.“
Warum es funktioniert:
Dieser Kommentar nimmt das Verhalten auf eine subtile, humorvolle Weise auf. Indem Sie ihm das „Talent“ für Kommunikation zuschreiben, wird die E-Mail-Flut nicht negativ konnotiert, sondern als Zeichen seiner Hingabe und seines Engagements dargestellt. Der Kollege merkt, dass er eventuell zu viele Informationen schickt, aber ohne sich schlecht zu fühlen – vielmehr wird er möglicherweise darüber nachdenken, ob seine regelmäßigen Updates wirklich notwendig sind.
Beispiel 1: Der Kollege, der ständig mit der Deadline kämpft
Nehmen wir an, Sie haben einen Kollegen, der regelmäßig Fristen verpasst und es immer wieder auf „besondere Umstände“ schiebt. Statt ihm direkt zu sagen: „Du solltest besser mit deinen Deadlines umgehen!“, teilen Sie ihm mit: „Es ist beeindruckend, wie flexibel du bei der Zeitplanung bleibst. Du findest immer einen Weg, das Unmögliche möglich zu machen.“
Warum es nicht funktioniert:
Dieser Kommentar wirkt wie ein Versuch, das Verhalten diplomatisch zu verpacken. Doch er lässt Ihren Kollegen denken, er hätte das richtige Gespür für „flexible Zeitmanagement-Techniken“, anstatt die Notwendigkeit zu erkennen, pünktlicher zu sein. Die Botschaft ist zu unklar und wird eher als indirekte Schmeichelei wahrgenommen, die das zugrundeliegende Problem nicht anspricht.
Beispiel 2: Die Kollegin, die ständig die Schuld auf andere schiebt
Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Kollegin, die immer anderen die Schuld gibt, wenn etwas schiefgeht, und nie selbst Verantwortung übernimmt. Statt ihr direkt zu sagen: „Du solltest Verantwortung für deine Fehler übernehmen!“, sagen Sie zu ihr: „Es ist wirklich beeindruckend, wie du es schaffst, immer wieder die perfekte Ausrede zu finden – du solltest wirklich ein Seminar in Krisenmanagement geben!“
Warum es nicht funktioniert:
Dieser Kommentar ist direkt und sarkastisch, was bei Ihrer Kollegin als persönliche Zurückweisung ankommen wird. Sie fühlt sich angegriffen und könnte sich in ihrer Position bestätigt fühlen, dass es immer die anderen sind, die schuld sind. Anstatt ihren Fehler einzugestehen, reagiert sie gekränkt und möglicherweise mit noch mehr Schuldzuweisungen.
Beispiel 3: Der Kollege, der gerne den „Besserwisser“ gibt
Nehmen wir an, Sie haben einen Kollegen, der immer denkt, er weiß alles besser, und nie eine Idee unkommentiert lässt. Statt ihm direkt zu sagen: „Hör auf, ständig alles besser zu wissen, und lass auch mal andere zu Wort kommen!“, sagen Sie: „Du bist wirklich ein wandelndes Lexikon – bei dir kann man immer eine ‚korrekte‘ Antwort erwarten, ob man sie will oder nicht!“
Warum es nicht funktioniert:
Der Kommentar trifft den Nerv der Sache, ist aber zu verletzend. Die Blume wird vermutlich als scharfe Kritik wahrgenommen, insbesondere der letzte Teil des Satzes. Statt zur Einsicht zu kommen, dass er zu dominant ist, könnte er sich gekränkt fühlen und seine Meinung fortan gar nicht mehr äußern.
Fazit:
„Etwas durch die Blume sagen“ kann eine Kunstform sein, die in den richtigen Momenten eine wertvolle Möglichkeit zur Kommunikation bietet – wenn die Absicht klar, die Beziehung stabil und der Kontext entspannt ist. In solchen Fällen kann eine gut platzierte Blume dazu beitragen, schwierige Themen behutsam anzusprechen und gleichzeitig das Gegenüber zum Nachdenken anzuregen. Doch wird die Absicht missverstanden oder ist die Atmosphäre angespannt, kann die Blume ihre Wirkung verfehlen und sogar Verletzungen hervorrufen. Dann ist es besser, Klartext zu sprechen.

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